Zwei Firmen, zwei Branchen, eine Bitte: Bürokratie abbauen!
Die Kantine Frisch und Fair, erste Station des Besuchs von Finanzstaatssekretärin Katja Hessel (FDP), ist keine gewöhnliche Großküche, wie es sie in Deutschland zuhauf gibt. Darauf deutet schon die Rechtsform der Kantine hin: Sie ist eine gemeinnützige GmbH.
Gemeinnützig ist vor allem das Prinzip der Inklusion, die wichtigste Zutat im Erfolgsrezept von Frisch und Fair: Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen, zum Beispiel psychische Erkrankungen, Handicap oder Sucht, im ersten Arbeitsmarkt keine Chance haben, werden bei Frisch und Fair Schritt für Schritt an den Arbeitsalltag herangeführt. 20 Jobs hat die Kantine Frisch und Fair auf diese Weise seit 2019 Jahren geschaffen, und zwar an drei Standorten in der Sudetenstraße, im Innovapark und in der Ludwigstraße.
Das Paradebeispiel für eine gelungene Inklusion ist laut Geschäftsführer Kevin Kärst ein Mitarbeiter mit Asperger, einer Variante des Autismus. Während die Sozialbürokratie ihn bereits aussortiert hatte und berenten wollte, gab Kärst ihm eine Chance und setzte dabei auf die Stärken von Asperger-Menschen: Diese haben zum Beispiel einen sehr präzisen Blick auf Strukturen und Arbeitsabläufe und ein sehr gutes Gedächtnis. „Es ist schlicht der Hammer, wie gut er unsere Prozesse analysiert und optimiert“, sagt Kärst.
Für Kärst und sein Team sind die vielen Auflagen und Regeln eine Herausforderung. Natürlich ist in einer Küche Hygiene oberste Pflicht. Das Management und Zusammenführen der Förder- und Finanzierungswege sei oft nicht einfach. Außerdem müssten die komplizierten Arbeitszeitregeln und die damit verbundenen Pflichten den Beschäftigten bei Frisch und Fair mitunter in einer einfacheren Sprache erklärt werden als in anderen Unternehmen.
Zum Glück steht die Stadt Kaufbeuren hinter Frisch und Fair, wie Oberbürgermeister Stefan Bosse (CSU) zu erkennen gab. Er ordert nicht nur regelmäßig Verpflegung für städtische Anlässe, sondern hat Frisch und Fair für seinen nahenden 60. Geburtstag gebucht. Kein Wunder, dass Kevin Kärst über die Zusammenarbeit mit Bosses Verwaltung nur Positives zu berichten weiß.
Vom Innovapark, dem größten Standort von Frisch und Fair, ist es nur eine kurze Fahrt nach Mauerstetten zur Zentrale von V-Markt. „Das V steht für Verbraucher, man könnte es aber auch mit Vielfalt, Vertrauen oder Verlässlichkeit übersetzen“, sagt Geschäftsführer Christoph Hermann in einem schmucklosen Konferenzraum bei einer Powerpoint-Präsentation.
Der V-Markt bietet als Familienunternehmen den „großen Vier“ Aldi, Edeka, Rewe und der Schwarz-Gruppe mit Lidl und Kaufland auch in sechster Generation erfolgreich Paroli. Hinter den V-Märkten steht die Georg Jos. Kaes GmbH. Zur Gruppe gehören 39 V-Märkte und 13 V-Baumärkte, der V-Baumarkt Online-Shop, 34 Tankstellen, drei Modemärkte und 14 Waschstraßen. Die Gruppe beschäftigt 4500 Mitarbeiter, davon 450 Auszubildende.
Circa 500 Beschäftigte sind auf 55.000 Quadratmetern Fläche in Mauerstetten tätig. Beim Gang durch die Lagerhalle, deren längste Achse 420 Meter misst, wird klar, was das V bedeutet: endlose Reihen von Hochregalen mit 70.000 Paletten-Stellplätzen, Temperaturzonen von wohltemperiert bis minus 25 Grad. Verbraucher finden in den Märkten tatsächlich eine Vielfalt vor, die Discounter so nicht bieten.
Auch wenn die V-Märkte bundesweit nur einen Marktanteil von 0,3 Prozent haben, sind sie doch in Schwaben eine Größe und durchaus innovativ, auch beim Megatrend der Digitalisierung. Die kleine Selbstbedienungsvariante V-Mini zum Beispiel, in der Kunden ohne Kassierer und auch spät am Abend einkaufen können, spielen die V-Markt-Vorteile Kundenähe und Regionalität aus.
Nur drohen die V-Minis bei der Liberalisierung der Sonntagsöffnung durch das Bayerische Ladenschlussgesetz, die im November im Landtag beschlossen werden könnte, durchzufallen, weil sie mit 300 Quadratmetern Fläche die Maximalgröße für digitale Kleinstsupermärkte im Gesetzentwurf deutlich überschreiten. Diese liegt bei 150 Quadratmetern.
Die Staatssekretärin machte sich beim liberalen Herzensthema Ladenschluss an dieser Stelle vermutlich eine mentale Notiz. Und Christoph Hermann ließ sich zum Abschied die Chance nicht nehmen, auf die Bürokratielast hinzuweisen, mit der auch der Handel kämpft: „Bitte streben Sie nicht absolute Perfektion an, 99 Prozent reichen auch.“ Da rannte er bei Katja Hessel offene Türen ein: „Wir brauchen Impulse für die Wirtschaft. Aber eben nicht auf Pump! Sondern mit weniger Bürokratie, mehr privaten Investitionen, weniger Regulierung.“